Psychosoziale Risiken und psychische Gesundheit bei der Arbeit

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Psychosoziale Risiken und ihre Folgen für die psychische und physische Gesundheit gehören zu den größten Herausforderungen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Sie beeinträchtigen nicht nur die Gesundheit der einzelnen Beschäftigten, sondern können sich auch nachteilig auf die Effizienz ganzer Unternehmen und Volkswirtschaften auswirken.

Stress, Angst und Depressionen stehen in Europa an zweiter Stelle der häufigsten arbeitsbedingten Gesundheitsprobleme der Beschäftigten. Noch immer ist die Thematisierung von Fragen der psychischen Gesundheit und von Problemen bei der Arbeit mit der Angst vor Stigmatisierung verbunden. Dennoch berichten annähernd 45 % der Beschäftigten über Risikofaktoren, die ihre psychische Gesundheit beeinträchtigen können. Werden psychosoziale Risiken jedoch als ein Problem betrachtet, das Unternehmen und nicht nur Einzelpersonen betrifft, können sie ebenso strukturiert und organisiert angegangen werden wie andere Risiken für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit. 

Was sind psychosoziale Risiken?

Psychosoziale Risiken entstehen durch eine schlechte Arbeitsgestaltung, -organisation und -führung sowie ein ungünstiges soziales Umfeld am Arbeitsplatz und können nachteilige psychische, physische und soziale Folgen haben. Zu den Arbeitsbedingungen, die psychosoziale Risiken mit sich bringen, zählen beispielsweise:

  • Arbeitsüberlastung;
  • widersprüchliche Anforderungen und unklare Zuständigkeiten;
  • fehlende Einbeziehung der Beschäftigten in sie betreffende Entscheidungen;
  • mangelnder Einfluss auf die Arbeitsabläufe;
  • schlechtes Management organisatorischer Veränderungen;
  • Arbeitsplatzunsicherheit;
  • ineffiziente Kommunikation;
  • fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte oder Kollegen;
  • Mobbing und sexuelle Belästigung;
  • schwierige Kunden, Patienten, Schüler usw.

Bei der Betrachtung der Arbeitsplatzanforderungen ist zu beachten, dass anspruchsvolle und mitunter schwierige Aufgaben nicht zwangsläufig mit psychosozialen Risikofaktoren – wie etwa Arbeitsüberlastung – gleichzusetzen sind, wenn sie in ein unterstützendes Arbeitsumfeld eingebunden sind, in dem die Beschäftigten eigenverantwortlich arbeiten, sich angemessen weiterbilden können und motiviert werden, ihren Fähigkeiten entsprechend optimale Leistungen zu erbringen. Durch ein positives psychosoziales Umfeld werden die Leistungsfähigkeit und die persönliche Entwicklung sowie das psychische und physische Wohlbefinden der Beschäftigten gefördert.

Beschäftigte fühlen sich gestresst, wenn die Anforderungen bei der Arbeit insgesamt zu hoch sind und ihre Leistungsfähigkeit übersteigen. Anhaltender Stress kann bei den Beschäftigten nicht nur psychische Probleme wie Burnout, Angst, Depressionen und sogar Selbstmordgedanken verursachen, sondern auch schwerwiegende physische Erkrankungen, wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Muskel- und Skeletterkrankungen, nach sich ziehen.

Für die Unternehmen bedeutet das unter anderem eine insgesamt schlechtere Unternehmensleistung, höhere Fehlzeiten, mehr Präsentismus (d. h., die Beschäftigten erscheinen krank bei der Arbeit und sind nicht leistungsfähig), eine stärkere Fluktuation sowie erhöhte Unfall- und Verletzungsraten. Fehlzeiten im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen sind in der Regel länger als Fehlzeiten aufgrund anderer Ursachen. Hinzu kommt, dass arbeitsbedingte Risikofaktoren großen Einfluss darauf haben, dass mehr Beschäftigte vorzeitig in den Ruhestand gehen. Für die Unternehmen und die Gesellschaft sind damit hohe Kosten verbunden, die Schätzungen zufolge auf einzelstaatlicher Ebene in die Milliarden Euro gehen.

Wie groß ist das Problem?

Die von der EU-OSHA im Jahr 2022 durchgeführte Erhebung „OSH Pulse“ ergab, dass 27 % der Beschäftigten unter Stress, Angst oder Depressionen litten, die durch ihre Arbeit ausgelöst oder verstärkt wurden. Zu den psychosozialen Risiken, die sich den Ergebnissen zufolge am stärksten auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken, zählen atypische Arbeitszeiten und eine hohe Arbeitsbelastung. 

Ein präventiver, ganzheitlicher und systematischer Ansatz gilt als besonders wirksam für den Umgang mit psychosozialen Risiken. Im Rahmen der Europäischen Unternehmenserhebung über neue und aufkommende Risiken (ESENER) der EU-OSHA wird untersucht, wie europäische Unternehmen psychosoziale Risiken wahrnehmen und damit umgehen. In diesem Zusammenhang werden auch die wichtigsten Triebkräfte und Hindernisse sowie der Unterstützungsbedarf beleuchtet. Die Erhebung ergab, dass psychosoziale Risiken nach Auffassung der Unternehmen eine größere Herausforderung darstellen und schwieriger zu bewältigen sind als „herkömmliche“ Risiken für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass insbesondere Kleinst- und Kleinunternehmen psychosoziale Risiken oftmals unterschätzen und keine geeigneten Präventionsmaßnahmen ergreifen. Unionsweit müssen Unternehmen für psychosoziale Risiken sensibilisiert werden und benötigen einfache, praktische, branchenspezifische Instrumente für das Management dieser Risiken. 

Welche Möglichkeiten gibt es für die Prävention und das Management psychosozialer Risiken?

Im Rahmen der Unionspolitik wird anerkannt, dass die psychische Gesundheit – einschließlich der psychischen Gesundheit bei der Arbeit – in allen Politikbereichen Berücksichtigung finden muss. 

Mit dem richtigen Ansatz lassen sich psychosoziale Risiken vermeiden oder in den Griff bekommen – unabhängig von Größe oder Art des Unternehmens. 

Das Management arbeitsbedingter psychosozialer Risiken ist nicht nur eine moralische Pflicht und eine sinnvolle Investition der Arbeitgeber, sondern auch ein rechtliches Gebot, das in der Rahmenrichtlinie 89/391/EWG verankert ist und in den Rahmenvereinbarungen der Sozialpartner über arbeitsbedingten Stress sowie Belästigung und Gewalt bei der Arbeit bekräftigt wird.

Den Arbeitgebern obliegt die rechtliche Verantwortung dafür, dass Risiken am Arbeitsplatz ordnungsgemäß bewertet und kontrolliert werden. Die Einbeziehung der Beschäftigten in diesen Prozess ist von maßgeblicher Bedeutung, um sicherzustellen, dass Risiken besser und wirksamer erkannt und bewältigt werden. Die Beschäftigten und ihre Vertretungen verstehen am besten, welche Probleme an ihrem Arbeitsplatz auftreten können, und ihre Einbeziehung hat sich als ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Eindämmung psychosozialer Risiken bei der Arbeit erwiesen. 

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